Neurologische und psychologische Reaktionen auf Pheromonreize

Neurologische und psychologische Reaktionen auf Pheromonreize

Obwohl eindeutige Verhaltensänderungen schwer nachzuweisen sind, lassen sich neurologische Reaktionen auf diese Duftstoffe durchaus beobachten. Bereits 2005 konnte eine bahnbrechende PET-/fMRI-Studie zeigen, dass Androstadienon und Estratetraenol beim Riechen geschlechtsspezifische Hirnaktivierungen auslösenpubmed.ncbi.nlm.nih.govpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Die schwedische Neurologin Ivanka Savic fand heraus, dass bei heterosexuellen Frauen sowie homosexuellen Männern das Riechen von AND die anterioren Hypothalamus-Areale aktiviert – eine Region, die für Sexualverhalten relevant istpubmed.ncbi.nlm.nih.govpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Heterosexuelle Männer hingegen zeigten diese Hypothalamus-Reaktion nicht bei AND, wohl aber (in Teilen) beim weiblichen Duft ESTpubmed.ncbi.nlm.nih.govpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Mit anderen Worten: Die Gehirne reagierten je nach sexueller Orientierung unterschiedlich auf die beiden Düfte – bei vom bevorzugten Geschlecht stammenden Duftsignalen sprang der Hypothalamus an, vergleichbar mit dem Effekt richtiger Sexuallockstoffe bei Tierenpubmed.ncbi.nlm.nih.govpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Normale Kontrollgerüche (wie z.B. Vanille) lösten solche Aktivierungen nicht aus, sondern wurden nur in den gewöhnlichen Riechzentren (Riechhirn, Amygdala) verarbeitetpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Diese Studien belegen zwar noch kein Verhalten, aber sie zeigen: Androstadienon und Estratetraenol werden vom Gehirn anders verarbeitet als normale Düfte, möglicherweise über neuronale Schaltkreise, die mit Geschlecht und Attraktivität verknüpft sindpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Ähnliche Folgestudien an hetero- und homosexuellen Frauen bestätigten teils diese Muster (z.B. Savic et al. 2006 für weibliche Probanden).

Auch auf hormoneller Ebene gibt es Hinweise auf unbewusste Wirkungen: Wie oben erwähnt, führte das Riechen von Androstadienon in experimentellen Setups zu messbaren physiologischen Änderungen bei Frauen – erhöhtem Cortisolspiegel, schnellerer Atmung, leicht steigendem sexuellen Erregungsniveauscientificamerican.comscientificamerican.com. Interessanterweise schien die Stärke der Wirkung nicht direkt von der bewussten Geruchsintensität abzuhängenscientificamerican.com. Dies stützt die Idee, dass solche Chemikalien eher chemosensorische Signale als normale Düfte sind, die über das olfaktorische System in limbische/Hormonsystem-Schaltkreise einspeisen. Allerdings bleibt unklar, ob diese Reaktionen eine echte pheromonale Kommunikation darstellen oder nur allgemeine Effekte von Geruchsstoffen (z.B. Stressreaktion auf einen unbekannten Geruch).

Verhaltensstudien liefern ein gemischtes Bild: Manche Experimente beobachteten geringfügige Änderungen im Sozialverhalten unter Pheromon-Einfluss – z.B. ein reduziertes Abstandhalten oder mehr Aufgeschlossenheitsmithsonianmag.com. Andere konnten keine zuverlässigen Effekte feststellen (siehe Hare et al. 2017 oben, die weder Einfluss auf Attraktivitätsurteile noch auf Treue-Einschätzungen fandenpubmed.ncbi.nlm.nih.govpubmed.ncbi.nlm.nih.gov). Ein präregistrierter Versuch 2020 fand ebenfalls kaum Evidenz, dass Androstadienon prosoziales Verhalten messbar erhöhtpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Insgesamt lautet der wissenschaftliche Konsens: Falls es menschliche Pheromone gibt, sind deren Effekte sehr subtil und kontextabhängig – weit entfernt von den eindeutigen Instinktreaktionen, die man z.B. bei Insekten oder Nagern siehtsmithsonianmag.commedicalnewstoday.com. Nicht zuletzt fehlt dem Menschen ein funktionsfähiges Vomeronasalorgan (Jacobson-Organ) – das spezielle Pheromon-Geruchsorgan vieler Tiere. Zwar existieren rudimentäre Überreste im Nasenseptum, aber sie sind beim Menschen neuroanatomisch nicht mehr angeschlossenmedicalnewstoday.com. Daher vermuten viele Forscher, dass potentielle menschliche Pheromone – wenn überhaupt – über das normale Riechsystem wirken und daher eher Stimmungen und Wahrnehmungen modulieren als zwanghafte Verhaltensreflexe auszulösenmedicalnewstoday.comsmithsonianmag.com.

Evidenzbewertung: Neurowissenschaftliche Daten (fMRI, Hormonmessungen) zeigen, dass die in Pheromon-Parfüms eingesetzten Moleküle durchaus etwas im menschlichen Körper bewirken können – etwa Aktivierung des Hypothalamus oder Veränderungen im autonomen Nervensystempubmed.ncbi.nlm.nih.govscientificamerican.com. Diese Reaktionen sind jedoch individuell verschieden und führen nicht automatisch zu romantischem Interesse oder sexueller Anziehung. Psychologische Studien mit Verhaltenstests sind größtenteils negativ oder inkonsistentpubmed.ncbi.nlm.nih.govpubmed.ncbi.nlm.nih.gov. Insgesamt ist die wissenschaftliche Evidenz schwach. Seriöse Quellen wie Science/AAAS und Scientific American betonen, dass es bis heute keinen schlüssigen Beweis für ein menschliches Sex-Pheromon gibtsmithsonianmag.comsmithsonianmag.com. Das hält die Parfümindustrie allerdings nicht davon ab, mit genau solchen Versprechen zu werben – hier klafft eine deutliche Lücke zwischen Wunschvorstellung und wissenschaftlicher Realität.